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Web 2.0: Das Mitmach-Internet

von Jutta Klauer

 

Ein Schlagwort beschäftigt derzeit nicht nur die Online-Welt: Web 2.0. Doch was steckt wirklich dahinter, ein neuer Hype oder eine echte Chance für Unternehmen und PR-Agenturen?

 

Obwohl der Begriff Web 2.0 in aller Munde ist, gibt es keine eindeutige Definition. Gemeint ist meist eine Reihe von Technologien und Anwendungen, die es Nutzern erlauben, auf Websites angebotene Inhalte zu ergänzen, zu verändern oder komplett neu zu erstellen. So entsteht der berühmte "user generated content". Ob in Blogs, Diskussionsforen, Social-Network-Sites oder Communities, ob auf Seiten wie Wikipedia, Xing, Flickr oder YouTube: Jeder redet mit, stellt sich dar, teilt Wissen, tauscht sich mit Gleichgesinnten - seiner Community - aus.

 

Das Besondere: Durch Web 2.0 sind nicht nur die Möglichkeiten vielfältiger geworden, seiner Meinung im Internet Gehör zu verschaffen sowie Erlebnisse und Wissen zu teilen - es ist auch wesentlich einfacher geworden. Eine wachsende Zahl von Internetusern nutzt diese Vorteile, um selbst produzierte Texte, Filme oder Audiodateien einzustellen - auch und gerade über ihre Erfahrungen mit Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen.

 

Während früher beispielsweise unzufriedene Kunden Unternehmen als Druckmittel mit dem Gang zur Zeitung drohen konnten, veröffentlichen sie heute ihre Erfahrungen direkt im Internet. Ab einem gewissen Aufmerksamkeitsgrad greifen auch Massenmedien wie der Spiegel oder ntv diese Themen auf. Berühmteste Beispiele sind die Siemens-Blog-Affäre (detaillierte Kritik der Mitarbeiter an Vorstandsbezügen) oder die Krise bei Jamba (Geschäftstricks aufgedeckt).

 

Wer nutzt Web 2.0?

Laut einer aktuellen Studie des SWR und des Marktforschungsinstituts result1 nutzen 20 Prozent aller Internetanwender regelmäßig Web 2.0-Anwendungen. Rund 60 Prozent davon sind als Mitautoren und Mitgestalter selbst aktiv, verfassen also "user generated content".

 

Der Bildungsgrad und das monatliche Einkommen sind bei Web 2.0-Nutzern überdurchschnittlich hoch. Damit folgt die Verbreitung der Web 2.0-Anwendungen einem schon aus den ersten Internetjahren bekannten Muster: Neue Technologien breiten sich von einer jüngeren, besser ausgebildeten Zielgruppe in den Alltag einer breiteren Masse aus.

 

Nach "Informationsbeschaffung" (98 Prozent) geben die meisten Nutzer "Unterhaltung" (86 Prozent) und "Soziale Kontakte" (74 Prozent) als Gründe für die typische Web 2.0-Nutzung an. Die Frage für Unternehmen ist nun, wie wichtig diese Nutzer für die eigenen Kommunikationsthemen sind.

 

Web 2.0 in der Unternehmenskommunikation

Um das Web 2.0 in ihrer Kommunikation angemessen berücksichtigen zu können, müssen sich Unternehmen zunächst einen Überblick über die relevanten Veröffentlichungsorte und Communities verschaffen. Dafür eignet sich gezieltes "Community Monitoring": eine Recherche und Bewertung der für das Unternehmen wichtigsten Web 2.0-Internetseiten. So lässt sich herausfinden, welches Image das Unternehmen in der Online-Welt hat und welche Themen Kunden und Mitarbeiter beschäftigen. Diese Informationen können sogar als Grundlage für Produktentwicklungen oder -verbesserungen dienen. Das hat zum Beispiel Procter & Gamble erkannt: Der Konsumgüterhersteller nutzt Community-Portale wie www.capessa.com. Gleichzeitig dient die Beobachtung der Communities als Frühwarnsystem für potenzielle Krisen.

 

Das Mitmach-Internet - auch für Unternehmen

Außer der Beteiligung an bestehenden Plattformen und Communities können Unternehmen auch eine eigene Online-Gemeinschaft ins Leben rufen oder Web 2.0-Anwendungen in ihre Kommunikation einbinden. Mit dem Einsatz der richtigen Instrumente kann ein offener Dialog entstehen, bei dem sich Kunden und andere Stakeholder ernst genommen fühlen, weil sie beim Unternehmen den Willen zu Transparenz und Authentizität erkennen. Ein Beispiel hierfür sind Unternehmensblogs, wie die Mitarbeiter-Weblogs von Microsoft, die zur Verbesserung des Unternehmensimages in der Entwicklerszene beigetragen haben. Weitere Instrumente sind Bewertungsmöglichkeiten für Produkte und das Empfehlungsmarketing, das beispielsweise von Amazon durch Leserkritiken genutzt wird.

 

Web 2.0 auch in der internen Kommunikation

Auch in der internen Kommunikation und beim Wissensmanagement werden Web 2.0-Technologien mit Erfolg genutzt. Blogs, Wikis, Tags (das gemeinschaftliche Indexieren von Inhalten) und andere Möglichkeiten der Social Software werden immer häufiger im Unternehmensumfeld von Web 2.0 - dem "Enterprise 2.0" - eingesetzt2. In diesem Fall nutzt das Unternehmen die kollektive Intelligenz seiner Mitarbeiter. Der Aufwand zur Einrichtung ist im Gegensatz zu einer externen Konsumentenplattform relativ gering, aber es müssen Anreize geschaffen werden, damit Mitarbeiter teilnehmen und ihr Wissen aktiv teilen.

 

Fazit

Web 2.0-Anwendungen ersetzen nicht die klassischen Medien, sondern sind eine sinnvolle Ergänzung. Unternehmen, die Stakeholder auf angemessene und moderne Weise ansprechen wollen, dürfen Web 2.0-Anwendungen in der internen und externen Kommunikation nicht vernachlässigen.

 

Quellen:

  • 1. Web 2.0 Studie (2007), SWR, result (2007) "Web 2.0" - Begriffsdefinition und eine Analyse der Auswirkungen auf das allgemeine Mediennutzungsverhalten, Köln, Februar 2007, Zusammenfassung der Studie auf Seite 2 dieser Ausgabe
  • 2. Brynjolfsson, E.; McAfee, A (2007): "The Future of the Web - Beyond Enterprise 2.0", MIT Sloan Management Review, Spring 2007, pp. 50-55