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Schleichender Verlust der Unabhängigkeit?

Der Medienjournalismus erlebt in den vergangenen Wochen eine Renaissance. Auslöser waren die Meldungen über jahrelang praktizierte Schleichwerbung in der TV-Serie „Marienhof“, die Anfang Juni 2005 unter anderem im Fachdienst epd-Medien veröffentlicht wurden. Die lange laufende Fachdiskussion um getarnte Werbung ist seitdem einer breiten öffentlichen Debatte gewichen. Dabei verschwimmen jedoch zunehmend die inhaltlichen Konturen, um was es im Kern geht: Denn längst ist nicht mehr von verbotener Schleichwerbung die Rede – kritisierte jüngst doch der „Spiegel“ verschiedene Rundfunksender für die Annahme von EU-Fördergeldern und ihre Berichterstattung zu Europathemen.

 

Schleichwerbung ist verboten. So steht es in der Richtlinie der EU über das Fernsehen und in allen vergleichbaren nationalen Vorschriften. Doch die derzeitige Berichterstattung über verdeckte Werbung im Fernsehen zeigt, dass bereits medienrechtlich über die Definition von Schleichwerbung trefflich gestritten werden kann. Wo beginnt die „Schmuggelwerbung“, wo hört die journalistisch oder künstlerisch notwendige Erwähnung von Produkten oder Unternehmen auf, die erlaubt ist? Inzwischen geht es ferner um mehr als eine juristische Debatte oder um Werbung. Es geht um die Finanzierung von Medien, um Medienaufsicht und um die Arbeit von Kommunikationsverantwortlichen in Unternehmen, Verbänden und Institutionen sowie um die Arbeit von PR-Agenturen.

 

Mitfinanzierung von TV-Programmen

Öffentlich kritisiert werden die gezielte redaktionelle Einbindung von Themen und Botschaften in TV-Sendungen und in diesem Zusammenhang die Mitfinanzierung von Programmen. Jüngstes Beispiel ist die Vergabe von EU-Fördergeldern für die Berichterstattung zu Europathemen in deutschen Rundfunksendern, auch in öffentlich-rechtlichen. Der „Spiegel“ berichtete in der Ausgabe vom 13. Juni 2005 darüber. Was steckt dahinter? Bereits Anfang März 2005 hatte die EU bekannt gegeben, dass sie über 900.000 Euro Fördergeld für zwölf Projekte von audiovisuellen Medien in Deutschland bereitgestellt hat. Ziel der Maßnahmen ist es, „das Wissen über die EU“ sowie „das Image der Europäischen Union und ihrer Organe in der Öffentlichkeit“ zu verbessern. Das nennt man Öffentlichkeitsarbeit. Der „Spiegel“ fragt nun, ob hierdurch die redaktionelle Integrität derjenigen verloren gehe, die Fördergeld angenommen hätten – und vermittelt den entsprechenden Eindruck.

 

Redaktionelle Unabhängigkeit wahren

Nach dem Spiegel-Bericht sah sich die EU-Kommission in Deutschland zu einer Klarstellung verpflichtet. Pressesprecher Harald Händel wies darauf hin, dass rechtlich nichts dagegen eingewendet werden kann, wenn – auch öffentlich-rechtliche – Sender Mittel der EU beantragen. „Dabei garantiert die EU-Kommission den ausgewählten Sendern oder Produktionsfirmen, keinen Einfluss auf die redaktionellen Inhalte zu nehmen. Allerdings müssen diese – zum Beispiel im Abspann – auf die Förderung hinweisen.“ Ein Vorgehen, wie es auch Professor Dr. Norbert Schneider, Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen unterstützt. In einem Interview mit der Zeitung „Die Welt“ schlug Schneider Anfang Juni 2005 „eine Art Beipackzettel“ für TV-Sendungen vor, um Zuschauer beispielsweise im Vorspann oder Abspann auf die Beteiligung Dritter hinzuweisen. Genau das Vorgehen, wie es unter anderem die EU-Kommission bereits praktiziert. Für neue Sendeformate, „die weder Programm noch Werbung“ sind, könne er sich sogar ein entsprechendes Logo vorstellen. Das ist derzeit noch Zukunftsmusik, würde jedoch die Transparenz für Mediennutzer erhöhen und möglicherweise neue Finanzierungswege für Rundfunksender eröffnen.

 

Eine Kooperation mit Dritten und auch eine finanzielle Beteiligung bei der Programmgestaltung hält Norbert Schneider prinzipiell für möglich und werde vielfach praktiziert. In diesem Zusammenhang ist als weit reichende Form der Fernseh-PR das Programming zu sehen – die Umsetzung von Beiträgen oder eigenständigen TV-Formaten mit Programminhalten zur Vermittlung von Markenwerten. Auch wenn Erfolg und Wirksamkeit solcher Formate wegen teilweise mangelnder Zuschauerresonanz umstritten sind, gibt es bereits dauerhaft etablierte Formate. Dazu zählen TV-Sendungen, die von Verlagshäusern entwickelt wurden, wie beispielsweise Spiegel TV, Focus TV, Stern TV, Süddeutsche TV und Auto Motor Sport TV. Sie finden dauerhaft ihre Zuschauer, haben sich am Medienmarkt positioniert, tragen sich finanziell und zahlen somit auf die Marke ein.

 

PR-Agenturen: Verantwortung gegenüber Kunden

An dieser Form der Markenpositionierung ist nichts auszusetzen und sie steht auch nicht in der Kritik. Bei der jetzigen Debatte geht es vielmehr um die Frage der Einflussnahme auf Redaktionen beziehungsweise die der redaktionellen Unabhängigkeit. Selbstverständlich hat PR die Einflussnahme auf Medien und die Öffentlichkeit zum Ziel. Und selbstverständlich vertreten PR-Agenturen die Interessen ihrer Klienten; niemand dürfte etwas anderes erwarten. Das hebelt die journalistische Unabhängigkeit von Redaktionen jedoch keineswegs aus. Vielmehr müssen PR-Verantwortliche diese Unabhängigkeit konsequent beachten, wenn sie dauerhaft erfolgreich sein wollen. Auch wenn es banal klingt: Hierbei ist die Einhaltung klarer Regeln unerlässlich – allen voran die Einhaltung des geltenden Rechts, beispielsweise zur Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten oder zur Kennzeichnungspflicht von Anzeigen.

 

Einschlägige Kodizes weisen darauf hin, dass aufbereitete Informationen immer ein Angebot an die Redaktionen darstellen, „über deren Veröffentlichung beziehungsweise Verwendung die Redaktionen selbst entscheiden“, wie es beispielsweise im Code of Conduct von Pleon Kohtes Klewes heißt. Eine erfolgsabhängige Honorierung in der Medienarbeit ist deshalb abzulehnen. Die Einhaltung solcher Grundsätze entspricht der Verantwortung gegenüber Mediennutzern ebenso wie gegenüber den Kunden.

 

Qualität durch Kompetenz

Gute Medienarbeit zeichnet sich nicht nur durch diese Form der Transparenz aus, sondern auch durch Kompetenz – inhaltlich und in Bezug auf Kenntnisse des Mediengeschäfts. Aufgabe einer PR-Agentur ist es, Redaktionen die für ihre Zielgruppen relevanten Themen anzubieten und sie inhaltlich korrekt sowie in adäquater journalistischer Form aufzubereiten. Dies kann die Bereitstellung von Informationsmaterialien oder im Fernsehbereich die Produktion von Footage-Material umfassen. Auch die Themenentwicklung für eine Sendung oder die Vermittlung von Experten, beispielsweise für Talksendungen oder für Printmedien, sind Bestandteil gängiger PR-Arbeit. Solche Angebote schätzen Journalisten und sie sind darauf angewiesen. Kompetente Medienarbeit bedient demnach zwei „Kunden“: Sie erfüllt die Erwartungen des eigentlichen Klienten ebenso wie die der Journalisten. Je besser die Erwartungen der Redaktionen getroffen werden und je höher die Qualität der journalistischen Aufbereitung, desto größer ist die Chance, mit seinen Botschaften in den Medien Berücksichtigung zu finden. Denn die Entscheidung darüber, ob – und wenn ja wie – die Materialien in redaktionelle Formate eingebunden werden, liegt ausschließlich bei den Redaktionen selbst. Wer Kunden mehr verspricht, schadet ihnen und sich selbst.

 

 

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